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Bienensterben in den USA (Quelle: Mellifera e.V.; ungekürzt kopiert)
Anfang März meldete das Handelsblatt, dass 60-80% der Bienenvölker in Nordamerika, von der West- bis zur Ostküste und im Norden bis nach Kanada, zugrunde gegangen seien und nun die Weltmarktpreise für Obst und andere landwirtschaftliche Produkte steigen werden.
Wirtschaftsverbände wurden aufmerksam, denn ein Drittel der menschlichen Ernährung steht in Beziehung mit den fleißigen Arbeiterinnen. Sie schaffen in den USA durch ihre Bestäubung einen Wert von 18 Milliarden Dollar. Volkswirtschaftlich sind die Bienen das drittwichtigste Haustier, nach Rind und Schwein.
Der Umfang der Verluste hat einen globalen Stellenwert. Besorgniserregend ist, dass niemand die Ursache für das Bienensterben angeben kann. Ein großes Spektrum von Krankheitserregern wurde in toten Bienen gefunden. Deshalb sprechen die Medien vom
Bienen-Aids, das Immunsystem habe versagt. Bienenwissenschaftler nennen das Phänomen CCD (Colony Collapse Disorder).
Das bedeutet etwa „ungeregelter Zusammenbruch der Völker“ und zeigt, dass man nichts weiß. Bei ihrer ersten Kontrolle stellten die Imker fest, dass die Kästen bienenleer waren; weder tote, noch lebende Bienen waren zu finden. Honig war noch vorhanden und zum Teil abgestorbene Brut. Unter dem Titel „Das spurlose Sterben“ fragt die Süddeutsche Zeitung, ob die Bienen uns damit, dass sie einfach gehen, nicht etwas sagen wollen. Wir kennen diesen dramatischen Ruf der Bienen auch aus Europa. Große Völkerverluste traten in den letzten Jahren immer wieder auf; regional, gesamtdeutsch oder wie im Jahr 2003 sogar in den meisten Ländern Europas zugleich. In Polen, Spanien und der Schweiz gibt es dieses Jahr außergewöhnlich hohe Verluste. In Deutschland sind lediglich bestimmte Regionen im Schwarzwald betroffen.
Das Symptom bienenleerer Kästen ist in Europa schon länger bekannt. Dabei spielen Virus-Sekundärinfektionen der Varroa-Milbe eine Rolle (besonders der akute Paralyse Virus). Die Viren schwächen Orientierungsfähigkeit und soziale Fähigkeiten der Bienen und die Lebensdauer wird verkürzt. Es hat aber wenig Sinn, in Viren den Verursacher des Bienensterbens zu suchen. Die Viren sind immer vorhanden. Entscheidend ist, dass die Gesundheit unserer Bienen dramatisch abgenommen hat, da sie einer Vielzahl von Belastungen ausgesetzt sind.
Mal tritt der eine oder der andere Faktor besonders stark auf, überschreitet die Grenze der Belastbarkeit und führt zum Kollaps des Volkes. Weltweit steckt die Imkerei in einer existenziellen Haltungsformen wurden im Laufe des letzten Jahrhunderts verdrängt und vergessen. Einige Jahrzehnte gab man sich der Illusion hin, die ständige Rationalisierung der imkerlichen Betriebsweisen habe keine Nebenwirkung und führe nur aufwärts zu mehr Honigertrag.
Industrialisierte Landwirtschaft raubt Honigbienen und den anderen bestäubenden Insekten die Nahrungsgrundlage. Einseitige Ernährung und Mangel sind die Folge von perfekter Unkrautbekämpfung, früher Mahd und Flurbereinigung. Insektizide (deren Aufgabe es schließlich ist Insekten zu töten!), Pestizide und Herbizide reichern sich im Fettkörper der Bienen an und belastet deren Gesundheit. Diese Mittel werden nur unzureichend auf Bienengefährlichkeit untersucht, bevor sie zugelassen werden. In den USA werden die Bienen regelmäßig sogar über den gesamten Kontinent transportiert, um für die Blütenbestäubung in großen landwirtschaftlichen Monokulturen zu sorgen. So wandert jährlich die hälfte aller amerikanischen Bienenvölker nach Kalifornien in die Mandelblüte. Der Transport, wechselndes Klima und auch die Bestäubung selbst sind enormer Stress für die Völker. Krankheitserreger
werden dabei unkontrollierbar verbreitet.
Erste Stimmen wurden laut, welche die Verluste in den USA auch mit dem großflächigen Anbau von gentechnisch veränderten Mais (40% v. Gesamtmaisanbau) und Baumwolle (57%) in Zusammenhang bringen. Diese Pflanzen wurden gentechnisch so verändert, dass jede Zelle der Pflanzen das Gift des Bacillus thuringiensis (Bt) erzeugt, ein Gift, dass sie vorFraßinsekten schützen soll. Wenn das Pollenangebot derartig flächendeckend von Bt-Pflanzen stammt, könnte die Aufnahme von Bt-Toxinen erheblich sein. "Es könnte sein, dass das Toxin an die Epithelzellen im Darm andockt, zu wirken beginnt und dadurch die Biene so stark schwächt, dass sie Parasiten schutzlos ausgeliefert ist." (Prof. Kaatz Uni Jena) Dagegen wird argumentiert, dass es Völkerverluste auch in Regionen ohne GVO Anbau gibt. Das trifft allerdings bei allen bisher bekannten Belastungsfaktoren zu. Amerikanische Fachleute haben den Verdacht
geäußert, dass auch Imidachloprid, der Wirkstoff einer Saatgutbeize, für die Völkerverluste mitverantwortlich sein könnte. In Frankreich wurde dieses Mittel von Bayer nach jahrelangem Kampf der Imker 2004 verboten, bei uns ist es erlaubt.
Das Verschwinden der Bienen in den USA erinnert an Bemerkungen Rudolf Steiners (1923) über die Bienen. Damals äußerte er die Einschätzung, dass die Bienenhaltung in fünfzig, achtzig oder hundert Jahren in eine große Krise geraten würde, wenn nur künstlich
gezüchtete Königinnen verwendet würden. Heute sind künstliche Produktion und globaler Handel mit Königinnen eine Selbstverständlichkeit. Steiner machte darauf aufmerksam, dass durch derartige Maßnahmen die lebendigen Kräfte des Organismus Bienenvolk mechanisch gemacht und der Zusammenhalt des Volkes beeinträchtigt werde.
Die Bienen sind Anzeiger einer allgemeinen Situation, die alle blütenbestäubenden Insekten und unsere Lebensgrundlagen im breitesten Sinne betrifft. Überall werden wir heute herausgefordert ein neues Verständnis der lebendigen Natur zu entwickeln und eine andere Haltung ihr gegenüber einzunehmen. Hier einen Beitrag zu leisten ist die Aufgabe von Mellifera e.V..
Machen Sie mit und sorgen Sie für gute Nachrichten, mit einer wesensgemäßen Bienenhaltung,mit blühenden Gärten und Bienen-Patenschaften.
Vielleicht wollen uns die Bienen sagen, dass wir lernen sollen mehr das Ganze zu sehen.
Wenn wir das wirklich tun, finden wir die Fülle des Lebens, in der die Bienen wirken. Das schenkt reichlich Kraft. Es ist dies die Kraft, die wir brauchen um uns den gegenwärtigen Problemen zu stellen.
Mellifera e.V. Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung
Stellungnahme vom 20. April 2007 © Imkermeister Thomas Radetzki